Aromen sind ein ernsthaftes Problem bei vielen Lebensmitteln. Zum einen werden sie hinzugesetzt, weil das eigentliche Lebensmittel nicht hinreichend „schmeckt“, zum anderen sind Aromen zuweilen „unrein“ und machen dadurch auch das Lebensmittel, in dem sie eingesetzt werden, unrein. Doch wie kann man das verstehen?
Jeder kennt wohl eine Kaffeemaschine, die zuweilen auch als Kaffeefilter bekannt ist. Die Bezeichnung Kaffeefilter ist aber total falsch, denn es wird ja nirgends etwas herausgefiltert. Ein Filter liegt z.B. vor, wenn der in Wasser einliegende Käse über ein Tuch gedrückt wird. Das Wasser fließt durch das Tuch. Das, was durch den Filter durchfließt, wird in der Fachsprache Permeat genannt. Der Käse bleibt oben „hängen“ und wird „Filtrat“ genannt. Ziel ist es, einen bestimmten Stoff von einem anderen zu trennen. Genau jener Prozess aber findet bei der Kaffeemaschine nicht statt! Vielmehr findet eher das genaue Gegenteil statt. Ein Stoff namens Kaffee wird auf dem Filter platziert. Dann wird Wasser darüber gekippt. Ziel ist nicht, dass etwas vom Wasser im Filter hängen bleibt, sondern vielmehr, dass das Wasser etwas aus dem oberen Teil „mitnimmt“ (nämlich die Kaffeebestandteile). Solch ein Prozess heißt Extraktion. Der Kaffeefilter müsste eigentlich Kaffeeextraktor heißen. Bedeutsam dabei ist das „Extraktionsmittel“ bzw. Lösungsmittel, also der Stoff, der aus dem Kaffeepulver etwas herauslöst und „mitnimmt“. Im besagten Fall ist Wasser das Lösungsmittel. Würde man jetzt z.B. den Kaffee auffangen und dann weit über 100 Grad erhitzen, dann würde das Wasser verdampfen und übrig blieben sehr kleine feinste Teile, die wir dann als Kaffeearoma weiter nutzen könnten.
In etwa so werden die meisten natürlichen Amoren hergestellt. Man platziert z.B. Rosenblätter auf einem Filterelement, lässt ein Lösungsmittel darüber laufen, fängt das neue Gemisch auf und lässt das Lösungsmittel verdampfen. Der Rest ist dann das Aroma, der eingesetzt werden kann. Was hier in sehr einfacher Art dargestellt wurde, ist in der Industrie etwas komplexer, aber die Prinzipien sind die selben. Das mögliche Problem dabei ist, dass in den seltensten Fällen Wasser das Lösungsmittel ist. In sehr vielen Fällen ist Ethanol das Lösungsmittel. Das wird zwar hinterher komplett wieder verdampft, so dass es sich nicht mehr im Aroma befindet, aber Ethanol ist unter Umständen unrein, wodurch das Aroma unrein wird. Wen Ethanol synthetisch (also aus der Gasphase) gewonnen wurde (wie bei Parfümen), dann ist er nicht unrein. Wenn er aus der Gärung gewonnen wurde (z.B. Überschuss der Bierindustrie), dann ist er unrein. Bedauerlicherweise hat sich die Bierindustrie in Deutschland historisch festschreiben lassen, dass sämtliche in der Lebensmittelindustrie eingesetzten Ethanole bei ihnen zu kaufen sind.
Aromen werden in extrem niedrigen Dosen eingesetzt, so dass Aromeneinsetzer immer wieder danach fragen, bis zu welcher Konzentration der Einsatz halal wäre, selbst wenn das Aroma unrein ist. Dabei spielen dann Größen wie ppm (parts per Million) eine Rolle. Tatsächlich gibt es im Islam auch einen Reinigungseffekt durch Verdünnung. Allerdings hat der Islam keine „ppm“ festgelegt, sondern die „relevante Wirkung“. Würde also ein Armoeneinsetzer seine ggf. unreinen Aromen einsetzen, damit sie keine relevante Wirkung haben, könnte das Produkt rein sein. Allerdings müsste man dann am Verstand des Herstellers zweifeln, denn warum setzt er es dann überhaupt ein?
So weit also zur Theorie. Was aber bedeutet das praktisch für den muslimischen Verbraucher? Grundsätzlich gilt, dass ein Produkt, das ohne Aromen auskommt dem vergleichbaren Produkt mit Aromen vorzuziehen ist. In manchen Bereichen aber gibt es keine Produkte mehr ohne Aromen oder nur ganz selten (z.B. bei Eis). Hier gilt für den muslimischen Endverbraucher, dass er bei den Aromen zunächst davon ausgehen darf, dass es halal ist, außer er weiß mit Sicherheit, dass es nicht halal ist. Die muslimischen Gelehrten aller Rechtsschulen sind sich auch darin einig, dass bei solch einem Zusatzstoff, bei dem beides möglich ist, eine Nachforschen des muslimischen Endverbrauchers nicht nötig ist. Hingegen kann ein Zertifizierer ein Aroma, das auf unreiner Ethanolbasis produziert wurde, nicht zertifizieren.
Noch gibt es in Deutschland zu wenige Endprodukte, die Halal zertifiziert sind. Aber im Saarland gibt es in den ersten Supermärkten auch Halal-Theken. Das wird in Zukunft in Deutschland zunehmen. Der Endverbraucher kann diese Entwicklung durch Nachfragen bei den Unternehmen fördern. Oft ist ein Produkt bereits zertifiziert, aber der Hersteller wirbt nicht offen damit, weil er Angst vor alten nichtmuslimischen Kunden hat. Das wird sich sicherlich im Laufe der Zeit ändern – so Gott will.
"Anlügen" ist wohl etwas hart umschrieben. In der Umgangssprache werden viele wissenschaftliche Zusammenhänge extrem vereinfacht dargestellt, was auch hilfreich ist, da nicht jeder alles studieren kann.